Bolivien aus unserer Sicht

24 02 2009

Bolivien ist ein Land, das von der Natur her alles zu bieten hat. Ok, ausser Meer, da die Chilenen den Bolivianern im 19. Jahrhundert den Zugang zum Pazifik abgeluchst haben, in dem sie einfach frecherweise waehrend des Karnevals angegriffen haben (siehe dazu unten). Ansonsten gibt es Regenwald, gemaessigte Zonen, eine Hochebene mit Salzwuesten und natuerlich sehr hohe Berge.

Auf dem Altiplano, der einen grossen Teil des Landes ausmacht, ist es auch im Sommer frisch, schliesslich liegt es auch fast durchgaengig ueber 4000m hoch. Deswegen gibt es in Bolivien auch fast alles auf „hoechstem Niveau“, die hoechste Stadt der Welt (Potosi), Minen (auch Potosi), Irish Pub (in La Paz) und vieles mehr.

In den Staedten selbst geht es staendig auf und ab, ebene Flaechen sind da wirklich die Ausnahme und das ist auch der Grund, warum Stadtbesichtigungen in Bolivien sehr anstrengend sind. Die Staedte sind durchweg erstaunlich sauber, auch in der Metropole La Paz trifft dies zu. Grundsaetzlich kann man sich auch sicher fuehlen, wenn man sich sehr aufmerksam verhaelt und die empfohlenen Grundregeln aus den Reisefuehrern einhaelt. Dann sollte man auch vor boesen Ueberraschungen geveit sein…

Karneval ist das mit Abstand wichtigste Fest des Jahres und zum Hoehepunkt steht mehr oder weniger alles still. Ausgelassen wird tagelang gefeiert, fuer einen billigen Rausch 96%iger Alkohol getrunken und mit Wasserbomben-, Wasserpistolen- oder Seifenspraybeschuss muss man sich einfach abfinden. Hier verbinden sich auch traditionelle und christliche Ansaetze, die die sehr glaeubigen Bolivianer gerne gleichermassen verfolgen. So verwundert es nicht, dass einerseits gluecksbringende, behexte Lamafoeten unter jedem neuen Haus vergraben werden und trotzdem viele tagsueber zum Beten oder in einen der mindestens fuenf taeglichen Gottesdienste in die Kirche gehen.

Fanatisch sind die Bolivianer aber auch beim Fussball. Die Vereine mit den klingenden Namen wie „The Strongest“ (aus Sucre) oder „Real Potosi“ (mit kopiertem Real Madrid Wappen) aber kicken auf Oesi-Niveau, wenn man auch anerkennen muss, dass ein Match auf ueber 4000 m Hoehe doch recht anstrengend ist.

Bolivien hat den hoechsten Indogenenanteil an der Gesamtbevoelkerung in ganz Suedamerika (> 60%), was man auch sehr gut an den Gesichtern erkennen kann. Viele Menschen sind noch traditionell gekleidet, vor allem die Frauen tragen ihre langen Zoepfe unter einem kleinen Hut hervorquellend und einige Roecke uebereinander, um dem Schoenheitsideals eines breiten Beckens und dicken Hinterns zu entsprechen.

Seit ein paar Jahren hat Bolivien  mit Evo Morales den ersten indigenen Praesidenten. Er ist eine nicht unumstrittene Figur, denn obwohl er bei einigen Teilen der Bevoelkerung aufgrund seiner kumpelhaften Art sehr beliebt ist, halten viele eher wenig von ihm. Es gelingt ihm offensichtlich auch nicht, die Probleme der einfachen Menschen zu loesen, und er scheint sich wohl auch zu einem typischen suedamerikanischen Politiker zu entwickeln. Gegen den Neoliberalismus im Allgemeinen und die multinationalen Konzerne mit Monopolstellung (?) im Besonderen zu wettern, ist eben noch keine Loesung, auch wenn das natuerlich eine bequeme Erklaerung fuer die eigene Lage darstellt.

Auch eine neue, seit kurzem geltende Verfassung, die vor allem den Indios mehr Rechte einraeumen soll, hilft da nicht weiter. Vielmehr hat sich die Regierung weitgehende Rechte und Befugnisse eingeraeumt, so kann Evo nun zum zweiten Mal hintereinander kanditieren. Ausserdem duerfen nun die bolivianischen Rohstoffreserven verstaatlicht werden. Viele Menschen bezweifeln aber gerade, dass das arme Land selbst in der Lage sein wird, die kapitalintensive Gewinnung zu betreiben. Ein paar reichere Provinzen haben auch die Verfassung abgelehnt und es gibt politische Kommentatoren, die Bolivien deswegen schon vor einer Zerreissprobe sehen.

Fuer Traveller ist Bolivien immer noch ein gut zu bereisendes Land. Die Menschen begegnen einem grundsaetzlich sehr freundlich, es ist sehr guenstig und die mit den Touristen befassten Leute versuchen Englisch zu sprechen, wenn es mit dem Spanisch nicht so klappt, und sind auch sonst im Rahmen der suedamerikanischen Moeglichkeiten sehr bemueht. Gewoehnungsbeduerftig sind allerdings stundenlange Busfahrten ohne Ess- oder Pinkelstopps.

Alles in allem faengt einen in Bolivien das „Suedamerikagefuehl“ voll ein und es macht richtig Spass, in dieses vielfaeltige Land einzutauchen.





Tag 293, Isla del Sol im Titicacasee

24 02 2009

24.02.2009

Heute ist der letzte Tag des Karnevals – das muss wohl oder uebel gefeiert werden 😉 Alle Haeuser, Boote, Autos und Raeume werden mit Luftschlangen, Ballons, Blumen und Konfetti dekoriert und die Kinder sind wieder eifrig am Touristen „einnaessen“. Ein bisschen nervt uns das langsam schon, denn zum einen laeuft man staendig lauernd herum, denn die naechste Wasserbombe kommt bestimmt vom Balkon oder Hausdach geflogen und zum anderen wird man dann doch das eine oder andere Mal nass.

Nach dem Fruehstueck beschliessen wir, mit dem ersten Boot wieder nach Copacabana zurueckzufahren, da wir gehoert haben, dass heute wieder heftig getrunken wird und es auch nicht so sicher ist, dass Boote nachmittags fahren. In Copacabana sind die Partyvorbereitungen in vollem Gange und wir schaffen es noch rechtzeitig zum Zentralmarkt zur taeglichen Forelle.

Der restliche Tag wird von den Bolivianern mit Feiern, Musik und Alkohol verbracht. Fuer uns eine Art Abschiedsfest von Bolivien, denn morgen Abend geht´s weiter nach Peru.





Tag 292, Isla del Sol im Titicacasee

24 02 2009

23.02.2009

Um auf die Isla del Sol zu gelangen, muss man eines der extrem untermotorisierten dafuer aber ueberbeladenen Boote im Hafen von Copacabana nehmen. Die Ueberfahrt geht dann dermassen langsam vonstatten, dass man gelegentlich das Gefuehl hat, man waere schwimmend schneller. Wenn nur nicht das Wasser so kalt waere…

Nach fast drei Stunden schaffen wir es aber doch nach Cha’llapampa im Norden der Insel. Waehrend wir noch gemuetlich einen Kaffee am Hafen trinken, stuermen die Tagestouristen bereits los. Wir wandern spaeter los und haben dafuer den Chicana-Komplex, einen der heiligsten Orte der Inkas, mit heiligem Felsen, Sonnentempel, Opfertisch und Palast ganz fuer uns alleine. Die Isla del Sol war den Inkas besonders zur Aufrechterhaltung des ihre Herrschaft legitimierenden Sonnenkultes wichtig.

Nachmittags nehmen wir dann den knapp drei Stunden langen Weg zum suedlichen Teil der Insel in Angriff. Auf dem Hauptkamm geht es mit spektakulaerer Aussicht entlang dieser sehr schoenen Insel, die fast ein wenig mediterran wirkt. Da der Titicaca See riesig gross ist, hat man tatsaechlich den Eindruck, man befindet sich an einem Meer.

Gegen Spaetnachmittag erreichen wir dann das kleine Oertchen Yumani, das sehr schoen auf dem Kamm liegt. Unser Hostel bietet daher auch einen grandiosen Ausblick in Richtung Sonnenuntergang und waehrend wir diesen geniessen, verspeisen wir natuerlich die lokale Spezialitaet – Forelle.





Tag 291, Von La Paz nach Copacabana

24 02 2009

22.02.2009

Nein, wir fahren nicht „an die Copa-, Copacabana“, sondern in den gleichnamigen Wallfahrtsort an der bolivianischen Seite des Titicacasees.

Leider muessen wir nach der kurzen Nacht schon wieder frueh raus, denn der Bus geht um halb acht *gaehn* und wir sind echt noch etwas zerknittert. Wir reisen zu dritt mit Miki weiter, wir verstehen uns echt gut und sind ein gutes Team mit aehnlichen Interessen. Nach 2 Stunden erreichen wir schon den Titicacasee und muessen dort erst einmal ueber einen Arm uebersetzen. Waehrend die Passagiere in kleine Boote gepackt werden, werden die Autos und Busse auf vorsintflutliche Holzfaehren geladen.

Auf der anderen Seite angekommen, stossen wir direkt auf einen laufenden Karnevalsumzug: Die in diesem Ort stationierte bolivianische Marine vom Titicacasee (Meer gibt’s ja leider nicht) ist verkleidet und nimmt am Umzug teil, Helme dienen dabei als Tanzutensil. Zwischendrin laufen Frauen in traditionellen Trachten im selben Tanzschritt wie die Armee. Sehr nett anzusehen.

Ein halbe Stunde spaeter sind wir schon in Copacabana, finden schnell ein guenstiges Hostel und gehen gleich mal in den lokalen Markt zum Mittagessen. Wir wollen endlich mal wieder Fisch und de gibt es hier in Form der Regenbogenforelle zu Hauf und ganz frisch aus dem See. Es schmeckt koestlich!

Wir organisieren noch die naechsten beiden Tage, die wir auf der Isla del Sol im See mit etwas Wandern verbringen wollen. Ausserdem kaufen wir gleich noch Bustickets fuer unsere Weiterfahrt nach Peru fuer Mitte der Woche.





Tag 290, ¡Viva el Carnaval!

22 02 2009

21.02.2009

Wer den echten Karneval in Bolivien sehen will, der muss unbedingt nach Oruro, der Hauptstadt des Karnevals, fahren. Also heisst es um drei Uhr raus, damit wir rechtzeitig um acht Uhr in Oruro sind. Auf dem Weg gibt es um sechs Uhr morgens ein deftiges Fruehstueck mit Schnitzel, Pommes und Spiegelei. Eine echte Grundlage fuer einen langen Tag.

Kurz nach acht sind wir dann tatsaechlich schon in Oruro. Auf dem Weg zu unserer Tribuene koennen wir schon die Musik hoeren und oben angekomme sehen wir bereits die ersten Gruppen marschieren. Die Tribuenen fuellen sich rasch und umzugstechnisch geht es nun Schlag auf Schlag. Viele verschiedene Gruppen ziehen an uns vorbei. Alle Gruppen haben voran ein Auto, das mit Decken und Silbertellern, -bechern und -besteck dekoriert ist. Darauf folgt eine Fahne und eine Schutzheilige der Gruppe bevort es mit den Taenzern losgeht. Gegen Ende marschiert dann die Kapelle, natuerlich hat jede Gruppe ihre eigenen Musikanten. Die Groesse der Gruppe kann von ein paar dutzend bis mehrere hundert Teilnehmer, was sich dann auf ueber hundert Meter erstrecken kann. Insgesamt nehmen am Umzug mehr als 50.000 Menschen teil!

Die Kostueme sind sehr traditionell und vor allem bunt. Die Farben sind unglaublich und teilweise sind die Kostueme sehr aufwendig gestaltet. Zwischen den einzelnen Gruppen wird heftigst zwischen den gegenueberliegenden Tribuenen „hin- und hergeschossen“: Wasserbomben, Schaumsprays und riesige Wasserkanonen kommen hierbei zum Einsatz. Hauptsache die Leute werden nass und deswegen sind Regenponchos und Schirme ein Muss. Alle haben dabei ihren Spass und fuer uns ist es faszinierend zu sehen, wie ausgelassen die Bolivianer diesen Tag feiern. Auf unserer Tribuene gewinnt Bertram einen neuen Freund. Nach vorangegangenem gegenseitigem Wasserbombenbeschuss wird die neue Freundschaft mit Miguel aus Cochabamba, der hier mit seiner Familie feiert, mit ein paar Bieren besiegelt.

Als wir uns gegen sieben Uhr auf den Heimweg machen, ist der Umzug noch in vollem Gange. Erst um Mitternacht sind wir wieder in unserem Hostel in La Paz und auf dem Fernseher im Empfang laeuft noch immer die Live-Uebertragung aus Oruros Strassen, wo die Hoelle los ist. Wir fallen aber todmuede ins Bett, ein einmaliges Erlebnis liegt hinter uns.





Tag 289, La Paz

22 02 2009

20.02.2009

Da es morgens noch recht bewoelkt ist und nieselt, legen wir erst einmal eine Internetsession ein.

Gegen 14 Uhr scheint dann wieder die Sonne und wir gehen in das vielgepriesene, vielleicht ein wenig ueberschaetzte Coca-Museum. Man erfaehrt hier viel ueber die Pflanze und den Anbau an sich, die Wirkung auf den Koerper und natuerlich auch ihren enormen Stellenwert in der indianischen Kultur. Aber auch die Kokainproduktion, die Geschichte von Coca-Cola (das tatsaechlich Coca fuer den Geschmack enthaelt) und einiges mehr werden beleuchtet. Wir koennen uns aber des Eindrucks nicht erwehren, dass allein dieser Pflanze das Weh und Wohl Boliviens zugeschrieben wird. Die grossen Leistungen der Inkas waren nur dem Coca zuzuschreiben (wenn das die Ingenieure von damals wuessten) und die wirtschaftliche Misere liegt sowieso nur darin, dass alle anderen den grossen Reibach mit Cocaprodukten machen. Multinationale Konzerne (neben Neoliberalismus die Hauptfeinde Boliviens – so nach offizieller Darstellung) verdienen Milliarden mit cocahaltiger Brause, die dann auch noch so heisst(!), US- und europaeische Banken waschen gegen Gebuehr Drogenmillionen rein und ein deutsches Pharmaunternehmen hat doch glatt das synthetische Kokain fuer die Medizin erfunden, weswegen jetzt das natuerliche nicht mehr fuer diesen legalen Zweck gebraucht wird. Schade, dass man sich auf solche Mythen stuetzt und die Schuld bei anderen sucht…

 Abends gehen wir dann nochmals auf den Lanza Markt zum Comedor und finden wieder ein superleckeres Essen fuer sehr kleines Geld. Auf den Strassen ist ueberall die Hoelle los und in Kneipen spielen Live-Bands – der wichtigste Feiertag in Bolivien wird eingelaeutet: Karneval! Und der Alkohol fliesst in rauhen Mengen…wer sich kein Bier oder sonstigen Alkohol leisten kann, greift zum 96%igen Trinkalkohol – mit teils schlimmen Folgen…





Tag 288, La Paz

22 02 2009

19.02.2009

Am spaeten Vormittag brechen wir zu dritt auf, um die andere Bergseite von La Paz zu erkunden. Das bedeutet dann erst einmal den Berg hinunter zur Hauptverkehrsader und auf der anderen Seite wieder hinauf. Hier befindet sich der Hauptplatz von La Paz mit der Kathedrale, dem Praesidentenpalast und vielen anderen Regierungsgebaeuden. Im Gegensatz zum Altstadtviertel, wo alles dicht an dicht ist, hat man hier schon eher das Gefuehl einer Grossstadt.

Im Anschluss statten wir dem Museum fuer Ethnologie und Folklore einen Besuch ab, das in einem schoenen Kolonialgebaude untergebracht ist. Ueberraschenderweise sind die Ausstellungsraeume ganz modern und ansprechend gestaltet und auch die Schau selbst ist gut gelungen. Highlight des Museums ist jedoch eine Ausstellung verschiedenster traditioneller Karnevalsmasken aus ganz Bolivien. In einem stockdunklen Raum werden nur die Masken angestrahlt – ein recht gruseliger Effekt.

Wir sind natuerlich genau zum Schulschluss auf der Strasse und muessen uns vor Wasserbomben und Sprayattacken der Kinder in Acht nehmen. Nachmittags schlendern wir dann noch durch die Calle Jaen, eine kleine schoene Gasse, die einem einen guten Eindruck des kolonialen La Paz vermittelt und man fuehlt sich beinahe nach Andalusien versetzt.





Tag 287, La Paz

19 02 2009

18.02.2009

Nach einem gemuetlichen Morgen starten wir mit einem Bummel ueber die zahlreichen Maerkte von La Paz: Wir starten im sogenannten Hexenmarkt, wo es tatsaechlich eine wilde Ansammlung von Kraeutlein, Pulvern, Talismanen und sonstigen Kuriositaeten zu kaufen gibt. Fuer jeden Anlass und jedes Wehwehchen gibt e eine exklusive Mischung. Am absonderlichsten ist wohl aber, dass getrocknete Lamafoeten (ca 30-50 cm gross) verkauft werden. Bestattet man diese unter seinem Haus, soll das Glueck bringen und beschuetzen. Nun ja…

Weiter geht es mit dem „Mercado Negro“, dem Schwarzmarkt, der mit einem Schwarzmarkt aber nichts gemein hat. Allerdings gibt es dort wirklich alles und nichts. Der naechste Markt ist dem bevorstehenden Karneval gewidmet. Hier gibt es neben Kostuemen auch saeckeweise Konfetti und vor allem die besagten Wasserbomben und -pistolen.

Zur Mittagszeit verschlaegt es uns auf einen „Comedor“, einen Essmarkt, wo ein Hauptgericht fuer 0,5 – 1 € zu haben ist. Hier waren wir bestimmt nicht das letzte Mal.

Nachmittags bummeln wir dann nochmal durch Gassen, wo es spottbillige Textilien gibt. Leider sind Strickpullis mit Lamas und Ponchos nicht so unser Fall…

Nach dem Abendessen in einer Huehnchenbraterei sitzen wir noch lange mit Miki im Innenhof unseres Hostels und quatschen.